Leben und Denken reflektieren, interpretieren und diskutieren 19.03.2024
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Meister Kant und die sichere Rente; Bonner Rundschau vom 20.04.2005
Das Philosophische Café diskutierte Ehrlichkeit und Wahrheit

Bonn. Ein heikles Thema, das Markus Melchers in seinem Philosophischen Café zur Diskussion stellte: Um "Ehrlichkeit und Politik" sollte es gehen. Als besonderen Gast geladen hatte er Norbert Blüm, aus dessen Amtszeit als Bundesarbeitsminister 1982 bis 1998 eine Behauptung im kollektiven Gedächtnis haften geblieben ist, deren Wahrheitsgehalt bezweifelt wird: "Die Renten sind sicher." Abschweife in eine Rentendiskussion hatte Moderator Melchers aber erst zu unterbinden, als die Hälfte des Abends im Kulturbistro Pauke herum war.Mit drei Zitaten eröffnete der Philosoph die Gesprächsrunde von Abraham Lincoln, Immanuel Kant und dem Autor Jerome K. Jerome: "Es ist die besste Politik, die Wahrheit zu sprechen, es sei denn, dass man ein sehr guter Lügner ist."
Aber können Ehrlichkeit und Wahrheit gleichgesetzt werden? Und ist Ehrlichkeit zwangsläufig gut? Mit Kants Dilemme, der Entscheidung zwischen Wahrheit und Moral, eröffnete Blüm die Diskussion und stellte klar: "Anders als Kant würde ich mich in dieser Frage nicht um jeden Preis für die Wahrheit entscheiden."
Immer, wenn der Ehrengast seine Rede beendet hatte, reichte Melchers das Wort umher. "Ich habe das Gefühl, vor Wahlen wollen Menschen gar nicht die Wahrheit hören", gab ein Besucher zu bedenken. Wie viel Wahrhaftigkeit Politikern in einer mediengesteuerten Gesellschaft zuzutrauen ist, noch dazu wenn sie sich in einer Art Dauerwahlkampf befinden, wurde gefragt, "ehrliche Begrifflichkeiten" statt verschleierndem Vokabular gefordert.

POLITIKER SIND AUCH NUR MENSCHEN

Ob man nun mit Aristoteles die Politik als öffentliche Angelegenheit in die Hände der Bürger legen sollte (wobei, wie Blüm richtig anmerkte, in Athen weit mehr Sklaven und Frauen lebten, die in Sachen Politik nichts zu melden hatten) oder mit Machiavelli "zwckgebundenes Lügen" billigen, wenn es dem Machterhalt des Politikers der gewünschten Partei dient, blieb ungeklärt. Herauzuhören war aber der Tenor: "Politiker sind auch nur Menschen."

Barbara Buchholz
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