So einfach ist es nicht, wenn bald mal wieder zig Millionen Präsente überrreicht werden. Geschenke können danebengehen. Wie und warum eigentlich? Aachen. Geschenke sind Kommunikation - und die kann scheitern. Gaben übermitteln Botschaften von Nähe und Distanz, von Wissen und Ahnungslosigkeit. Sie verraten einiges über den, der beschenkt wird, aber viel über den Schenkenden. Das muss kein Vorteil sein. Manche Menschen können auf ein Talent zum Schenken zurückgreifen, das anderen ein Leben lang versagt bleibt. "Du hast ein gutes Händchen", heißt es dann. Traumwandlerisch sicher greifen die Begabten zu Mitbringseln, die ins Schwarze treffen. Andere landen immer wieder im Fettnäpfchen, wenn sie Gutgemeintes überreichen. Für sie ist es in einer Gesellschaft des Überflusses und der abertausend Möglichkeiten nicht leichter geworden. Schenken als Tradition stamme aus einer Zeit, "in der man noch nicht alles kaufen konnte", erklärt der Bonner Philosoph Markus Melchers, der als "ambulanter" Sinn-Kurier seine Kunden auch in praktischen Moral -und Wertfragen berät - und seine Dienste unter dem Motto "Denken schenken" selber als Präsent anbietet. "Heutzutage kann sich der Beschenkte in der Regel alles selber kaufen", sagt Melchers. Das macht es keineswegs einfacher. Denn als Schenkender kann man sich nicht mehr annähernd sicher sein, dass die gute Gabe auch gebraucht wird. Ganz abgesehen davon, dass wählerischer Kindermund heute die Wahrheit ganz unverblümt kundtut und Enttäuschung oder Entsetzen über ein Geschenk nicht immer mildtätig verborgen bleibt. Nicht alle halten das für einen Fortschritt.
DARF MAN OHNE BEDENKEN WEITERSCHENKEN? Ebenso Schweißtreibend ist die Frage, ob man Geschenke eigenmächtig umwandeln oder gar weiterschenken darf. Muss jemand den Gutschein über zehn Klavierstunden einlösen, selbst wenn er gar nicht gerne Klavier spielt? Darf er sich das Geld dafür auszahlen lassen? Aus moralischer Sicht spreche nichts dagegen, meint Melchers. "Was man damit macht ist nicht länger Sache des Schenkenden." Denn ein Geschenk gehe nicht nur un den Besitz, sondern auch ins Eigentum des damit Bedachten über. Folglich könne man eine Gabe auch weiterschenken - nicht nur dann, wenn sie missfällt und sowieso im Kellerregal landen würde. Kinder mögen enttäuscht sein, wenn ein Wunsch versagt oder eine Sehnsucht unerkannt bleibt. Erwachsene kann so etwas auf immer beleidigen, und die Etikette erschwert es ihnen zudem, ihre Gefühle auszudrücken. Melchers spricht von "vergifteten Geschenken", wenn sie zu Almosen geraten und so auch verstanden werden - so etwa dann, "wenn man einem bedürftigen Freund 50 Euro schenkt". Oder gar den eigenen Eltern. Geldgeschenke erfreuen eher, wenn sie an einen hübschen Zweck gebunden sind - zum Beispiel die verstohlen erwähnte Wunsch-Reise. Das ist noch der klarere Fall. "Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft". Die bekannte Redensart enthält zwei Botschaften. Einmal jene, dass es für gelungene Zwischenmenschlichkeit wichtig ist, etwas zu schenken, zumindest dann und wann. Das stiftet Gemeinschaft, drückt Achtung aus und Nähe, auch wenn nicht verschwiegen werden soll, dass manch Schenkender darauf hoffen mag, später selber etwas zu bekommen. Mildernder Umstand: Es geht hier meist weniger um Habgier, als um eine Furcht - nämlich nicht respektiert zu werden, am Rande zu bleiben. Die zweite, vielleicht wichtigere Botschfat aber zielt auf die Größe, besser: die Angemessenheit des Geschenks. Große Gaben können überfordern und beschämen. Nur Menschen mit guten Nehmer-Qualitäten - und das heißt: mit großem Selbstbewusstsein - können mit üppigen Geschenken umgehen. Meist aber wird nur ein Hummelschwarm von Fragen aufgestöbert: Die wichtigste: "Wie soll ich da je wiedergutmachen?" Solche Menschen fühlen sich in der Schuld des Schenkenden und haben weder die finanziellen noch die charakterlichen Möglichkeiten, adäquat zurückzugeben. Für Melchers liegt hier ein "Risiko des Schenkens", das dazu führen kann, "dass der Beschenkte sich nicht mehr meldet". Eine der kniffligsten Fragen rund um Geschenke ist die, ob man ihre Annahme verweigern darf. Abgeordnete, Beamte und Arbeitnehmer müssen dies sogar, von Kugelschreibern und billigen Feuerzeugen abgesehen. Doch muss man sich alles schenken lassen - auch zum dritten Mal hintereinander Zigarren, die man gar nicht (mehr) gerne raucht? Oder Klavierstunden, die man lieber nicht absolvieren möchte?
KEINE VERPFLICHTUNG Im Zweifel ja, meint Nina Pelkonen, freie Imageberaterin in Ulm. Allenfalls unter "dicken Freunden", jedenfalls dort, wo viel Vertrauen herrscht, könne das "ehrliche Angebot" des Gebers, etwas umzutauschen, auch wirklich angenommen werden. Ganz anders liege der Fall, wenn Bestechung oder andere unlautere Absichten mit Geschenken verbunden sind. Wenn ein Mann einer Frau ein Negligé präsentiere und dies nicht der Nähe zwischen diesen beiden Menschen entspreche, dürfe die Frau es zurückweisen. "Dann bekommt der Mann die Ohrfeige, die er verdient", sagt Pelkonen. Eine Verpflichtung, Geschenke anzunehmen, gebe es nicht, meint Melchers. Doch ein Verstoß gegen die Konventionen wäre es, und jeder müsse überlegen, ob ihm sein Selbstbestimmungsrecht in solchen Fällen wichtiger sein als die Rücksichtnahme auf die verletzten Gefühle Anderer - noch dazu unterm Weihnachtsbaum.
Walter Schmidt
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