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So schön wie Weihnachten. General-Anzeiger Bonn vom 01.12.2006
Der Berufsphilosoph Markus Melchers geht den Weihnachtsgefühlen auf den Grund

Wir sprechen hier nicht von einer x-beliebigen Zeit. Nein. Es geht um nichts geringeres als Weihnachten höchstselbst. Da ist Ironie nicht angebracht, schließlich handelt es sich um eine ernste Angelegenheit.
Aber es ist schwierig über Weihnachten zu reden, bestätigt Markus Melchers, seines Zeichens philosophischer Praktiker. So viel  Gefühle, die jedes Jahr aufs Neue geweckt werden. Weihnachtsgefühle sind eben etwas ganz Besonderes.

Dass Markus Melchers den Dingen auf den Grund geht, ist sein Beruf, sein Broterwerb als Philosoph. Wörtlich übersetzt heißt Philosophie "Liebe zur Weisheit". Also sagt Melchers: "Da muss ich mal drüber nachdenken." 

Auch über Weihnachten und Weihnachtsgefühle hat er nachgedacht. "Denkbar ist, dass sie nur hervorkommen, wenn Weihnachten alles so ist, wie im vergangenen Jahr, im vorvergangenen Jahr, im vorvor ...  und so weiter."
Das klassische Familienprogramm an Weihnachten über die volle Distanz. Tag eins: Bescherung, Tag zwei: Weihnachten mit den Großeltern. Tag drei Weihnachten mit allen, die noch nicht da waren.

"Ohne Rituale ist Weihnachten nicht Weihnachten", erläutert Melchers. Auslöser der freudig erregten Gefühlslage ist ein Ausspruch, der im Alltag eher mit Stirnrunzeln quittiert wird: "Das war schon immer so." Das mag man nur an Weihnachten hören.

Weihnachtsgefühle liegen im magischen Dreieck von Hoffen, Erwarten und Wünschen, aber: die Weihnachtstage sollen keine Überraschung bringen. Nicht wirklich, "Königsberger Klopse wie immer, festliche Garderobe, Strohsterne - das gehört zum festen Programmablauf." Jedes Familienmitglied soll mittun. "Weihnachten ist überraschungsresistent", erläutert der Sinnberater.

Das Wiederkehrende ist ein unverzichtbares Element. Es wird nicht als langweilig empfunden, sondern wie Zimt im Gebäck als Zutat für die gute Stimmung. "Die Überschaubarkeit der Dinge ist gewünscht. Heute mehr denn je. Was ist denn noch verlässlich in einer unübersichtlicher werdenden Welt? "Von Weihnachten will man nicht überrascht werden. Da weiß man, was man hat. Und so soll es sein."

Was sich wie der Weisheit verständlicher Schluss anhört, ist freilich nicht gegen Veränderungen gefeit. Entzaubert wird das Weihnachtsfest durch Konkurrenz. Früher war es in punkto Hoffen und Erwarten der Höhepunkt im Jahr. Heute gerät es zum Programmpunkt von vielen. Das Weihnachtsfest könnte sich dagegen behaupten - wenn das Geschenkereignis seine Tradition behielte.

Geschenke machen / zu erhalten sollte als etwas Besonderes betrachtet werden. Als ein Ereignis. "Es geht nicht nur um den Inhalt, sondern auch um das Gefühl, dass der Schenker sich Zeit genommen und seine Auswahl mit der Person zu tun hat", sagt Melchers. "Die Verpackung ist ebenso wichtig."

Folgt man Melchers Überlegungen, haben Weihnachtsgefühle mit dem Bewusstsein zu tun, dass dies nicht der Alltag ist.

Und sie hängen mit dem eindringlichen Wunsch zusammen: Wie schön, könnte es doch immer so sein!          
                                                                                                                                                                                       spj 
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