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Das Café, ein Ort gegenseitiger Aufklärung; Heinsberger Zeitung vom 28.12.2012
Was passiert eigentlich im Philosophischen Café Heinsberg? Wer nimmt an den Runden teil? Ein Besuch.

Von Johannes Bindels

Heinsberg. Nein, es sind keine Vorträge akademischer Natur und es werden keine schwer verständlichen philosophischen Texte analysiert. Die Themen des Philosophischen Cafés Heinsberg lauten vielmehr kurz und knapp „Verzeihen und Vergeben“, „Selbsterkenntnis“ oder aktuell „Was ist Gerechtigkeit?“. Nicht die Philosophie ist der Gegenstand der Auseinandersetzung, sondern die Ideen und das Erfahrungswissen der Menschen.

Da ist der Unternehmer, der aktiv um die Werteausrichtung seines Unternehmens ringt bei der Frage, mache ich jedes Geschäft und wie kann ich meine ethischen Werte einbringen, ohne mein Geschäft zu gefährden? Da ist die Hausfrau und Mutter, die sich fragt, bin ich gerecht zu meinen Kindern in der Erziehung? Da ist der Metallarbeiter, der als Kollege einen Zeitarbeiter hat und weiß, dass dieser ein Drittel weniger bei gleicher Arbeit verdient und sich fragt: Tue ich etwas, wenn das nicht gerecht ist? Und der Lehrer, die Sozialarbeiterin und die Großmutter sitzen in der Runde und streiten um „Selbsterkenntnis“ und ob Gerechtigkeit nicht vielleicht doch Rache ist. Die Lebenserfahrungen prallen aufeinander, aber alle sind vom Willen beseelt, trotz aller Verschiedenheit, den Mitdiskutierenden zu respektieren. Das philosophische Café wird somit zum Übungsraum des respektvollen Miteinanderumgehens.

Die Moderation übernimmt seit den Anfängen im Jahr 2005 Markus Melchers, philosophischer Praktiker. Diese Bezeichnung hat ihm übrigens das Finanzamt verpasst, als er seinen Beruf angeben sollte und ins Grübeln kam. Melchers beginnt immer mit Zitaten und schließt den Abend auch mit solchen. Wenn es einmal hakt beim Gedankenaustausch, weiß er mit Sätzen wie: „Es reicht, eine unperfekte Antwort zu formulieren“, neu zu motivieren.

Die Sache des Moderators

Nachzuschauen, was Platon oder Aristoteles oder Hegel zum Thema Gerechtigkeit formuliert haben, das ist auch die Sache des Moderators, der jederzeit in einfachen Worten diese Infos über die Gesprächsführung einbringt. Nicht selten bringen die Teilnehmer philosophisches Wissen aber auch selbst mit ein.

So fallen an diesem Abend innerhalb der zwei Stunden, die als Zeitrahmen vom Veranstalter, der Erwachsenenbildung im Evangelischen Kirchenkreis Jülich gesetzt sind, Sätze wie: „Gerechtigkeit ist für alle da. In einem Gesellschaftsvertrag wird festgelegt, was gerecht sein soll. Gerechtigkeit bedeutet, dass auch alles gleich verteilt ist.“

Die Runde ist der Meinung, dass dies nicht möglich sei und dreht sich irgendwann argumentativ im Kreis. „Kommt es bei Gerechtigkeit auf die reine Tätigkeit (jeder bringt seine ihm eigene Fähigkeit ein) oder auf die Leistung (was ist erzielt worden) an?“ , wirft Melchers ein und verdeutlicht: „Ist es gerecht, wenn der Ausbeuter von Kinderarbeit, der sich damit Vermögen schafft, ein Haus besitzen darf, der Schülerlotse, der ehrenamtlich schafft, aber kein Vermögen erwirbt, sich kein Haus leisten kann?“

An diesem Abend wird der Unterschied von Gerechtigkeit und Fairness ebenso herausgearbeitet wie das Problem der Verteilungsgerechtigkeit: Wer bekommt ein Spenderorgan, wenn nur eins vorhanden ist, aber mehrere Menschen dringend brauchen, weil sie sonst sterben? Nach welchen Gerechtigkeitsprinzipien wollen wir in unserer Gesellschaft leben? Dass Willkür ausgeschlossen sein soll, ist allgemeiner Konsens. Dass Willkür nur in einer Demokratie verhindert wird, nicht aber in einer Diktatur, findet ebenso Zustimmung.
Fragen lernen und gemeinsam Antworten geben, das geschieht im „Philosophischen Café“. Aber auch hinhören und anschauen, welche Antworten die Philosophen auf drängende Fragen gegeben haben. Es wird Vernunft praktiziert und damit von jedem Teilnehmer Arbeit investiert in die Zukunft des Zusammenlebens.

Das ist wohl das „Philosophische“ am Café. Das Treffen ist somit ein Ort gegenseitiger Aufklärung. Dass dies in lockerer Atmosphäre auch zukünftig geschehen kann, dafür sorgt das ehrenamtliche Engagement von Beate Königs, die als Vertreterin des Kirchenkreises Jülich ihre Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung stellt.

Die Beschäftigung mit philosophischen Themen im Alltag heißt somit nicht, weltfremd zu sein, sondern steht ganz im Sinne von Karl Popper, der formulierte: „Ich glaube, dass alle Menschen Philosophen sind, wenn auch manche mehr als andere. Jeder Mensch hat Einstellungen zum Leben und zum Tod. Auch Erwartungen, was das Leben bieten soll, sind grundsätzlich philosophische Einstellungen. Insofern meine ich, dass alle Menschen Philosophen sind.“


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