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Balance halten zwischen Druck und Freiheit, Bergische Landeszeitung vom 23.11.2018
Jugendliche waren Gesprächspartner bei Altenberger Forum
Von Karin M. Erdtmann
Odenthal. Es ist ein schon ein Kreuz mit der Freiheit: hat man zu wenig, kann man sich nicht entfalten, hat man zu viel, kann man sich in ihr verlieren. Über die richtige Dosis und wie man sie bekommt, diskutierte das Altenberger Forum Kirche und Politik, zu dem der Ökumeneausschuss zusammen mit dem Rheinisch-Bergischen Kreis traditionell am Vorabend des Buß- und Bettags nach Altenberg lädt. „Jugend forsch(t) wie junge Leute leben wollen“ lautete diesmal das Thema des Podiumsgesprächs im Martin-Luther-Haus.

Dort diskutierten mit dem bestens aufgelegten Moderator Uwe Schulz die Studentin Jessica Paas, der Philosoph Markus Melchers, Michelle Euteneuervom Kreisjugendamt, Marten Pigorsch vom Bergisch Gladbacher Jugendrat sowie Kreis-Jugendseelsorger Michele Lionetti.

Nach dem ökumenischen Gottesdienst im Dom ging es im Gemeindesaal ans Eingemachte. Wie ticken Jugendliche, wie kann man Kindern aus bildungsfernen Schichten helfen, was machen die Volksparteien falsch und: hat Gott vielleicht einen Plan, wenn man selber keinen hat? Viele junge Menschen wollten sich nicht einschränken lassen von traditionellen Einstellungen, sich erst einmal orientieren oder ausprobieren, bevor sie sich für einen Beruf entscheiden, meinte Jessica Paas (21), die sich ehrenamtlich in der Evangelischen Jugend engagiert.

Das soziale Umfeld und der Austausch mit Freunden spiele eine große Rolle. Jugendliche bräuchten ein Korrektiv zu dem perfekten Leben, das ihnen in sozialen Medien vorgegaukelt werde. „Tu, worauf du Lust hast, solange du keinem schadest“ hat sich Martin Pigorsch zum Motto gewählt. Mit 22 Jahren bereits Unternehmer, findet es der Mitgründer des städtischen Jugendrats schwierig, jugendliches Engagement in vorgegebene Rahmen zu pressen, wie es bei Parteien häufig geschehe. Auch Druck, der von Eltern aufgebaut werde, sei kontraproduktiv. Politiker müssten „einen Querschnitt der Gesellschaft darstellen und auf Augenhöhe diskutieren – mit allen Generationen“, forderte er.

Ob man lieber „Brüche riskiert oder in gerader Linie vom Abstillen bis zur Rente“ lebe, wie Moderator Schulz formulierte, ist offenbar weniger eine Frage des Alters als der Mentalität. Michelle Euteneuer hat sich von der Realschule aus „einfach mal beworben“ beim Kreis. „Wenn es nicht klappt, kann ich ja immer noch Abitur machen“, sagte sie sich mit 14. „In meinem Freundeskreis bin ich die einzige, die nächstes Jahr zehnjähriges Dienstjubiläum feiert“, schmunzelt die 25-Jährige. Junge Menschen ernst zu nehmen und ihnen Gelegenheit zu geben, sich zu entfalten, sei wichtig.

Die Lebensfragen und Ängste hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht groß verändert, die Lösungen vielleicht, gab Kaplan Lionetti zu bedenken. Der Druck allerdings sei größer geworden und allenthalben präsent. Die Erfahrung hat auch Markus Melchers gemacht. Tradition sei nicht mehr die sichere Basis wie früher, der Zugewinn an Freiheit könne auch als Druck empfunden werden. In der nachwachsenden Generation sieht er ein geändertes Verhältnis zum Eigentum (teilen statt besitzen), aber auch einen gewissen Hang zum Egoismus. Erstaunliche Ergebnisse zeigte ein Video, in dem jungen Menschen aus der freikirchlichen Gemeinde in Leichlingen ihre Wünsche formulierten. „Erst mal raus aus der Komfortzone“ wollten sie, später „ein Haus haben, in dem alle willkommen sind“, nicht ganz so viel Geld haben, dass man sich alles kaufen kann“ und „selber entdecken, wo Gott mich haben will“.         

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