Wahrheitsfindung ambulant; Schnüss. Das Bonner Stadtmagazin; Dezember 2006 |
100 Mal Philosophisches Café
Markus Melchers erzählt mit klarer, fester Stimme. Er hört zu, überlegt und antwortet. Und er nimmt es sehr genau. Es seien nicht Kunden, Gäste oder Klienten, für die er arbeite, sondern seine Gastgeber. "Denn schließlich werde ich ja von den Leuten eingeladen und nicht umgekehrt,"sagt der 43-Jährige selbständige Bonner Philosoph. Melchers verdient sein Geld damit, Menschen im Gespräch neue persönliche Perspektiven aufzuzeigen. Darf ich mich scheiden lassen? Kann ich meinen Eltern mitteilen, dass ich keinen Kontakt mehr haben will? Wann darf ich lügen? Es sind meistens praktische Fragen, mit denen Interessenten Kontakt zu ihm aufnehmen.
"Die Philosophie taugt im Alltag mehr als man denkt", meint Melchers. Der Denker ist mobil und hat keine Praxis. Die Gespräche finden bei seinen Gastgebern, während eines Spaziergangs oder in einem Café statt. "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Unterhaltung in der gewohnten Umgebung am produktivsten ist", gibt der studierte Philosoph zu Protokoll. Doch, so Melchers weiter, eine Patentlösung könne er nicht bieten. Viel mehr gehe es darum, den Denkhorizont zu erweitern und so Lösungen herbeizuführen. "Praktische Philosophie heißt auch, mit der Bescheidenheit klarzukommen, nicht alles wissen zu können".
1998 gründete er sein Unternehmen "Sinn auf Rädern". Längst ist er auch über die Stadtgrenzen hinaus aktiv. Das philosophische Café, letzten Monat zum 100. Mal in Bonn veranstaltet, geht mittlerweile regelmäßig auf Tour. Besuche in Schulklassen und Vereinen kamen dazu. Und immer stand die Frage im Vordergrund: Was kann die Philosophie individuell praktisch leisten?
Zwischen Bremerhaven und Tegernsee, Aachen und Erfurt - Der Kontakt entsteht meistens über die Homepage. Melchers: "Mehrmals im Jahr bin ich deutschlandweit unterwegs. Allerdings führen der Gastgeber und ich vorher ein Telefonat, in dem wir klären, ob es sich wirklich um ein Problem handelt, bei dem ich helfen kann." Denn auch die Philosophie hat Grenzen. Die Zufriedenheit der Kunden ist Maßstab für Verlauf und Dauer der Gespräche: "Grundsätzlich vertraue ich dem Denken meiner Gastgeber. Allerdings lege ich Wert darauf, dass eine getroffene Entscheidung begründet wird."
Sein Konzept, erklärt Melchers, folge der Maxime, dass Philosophie immer am besten durch Kommunikation funktioniert. Das gilt auch für die Bezahlung: "Wir besprechen gemeinsam, wie viel Honorar ein Gespräch wert ist."
Bastian Rudde
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