Frage: Herr Melchers, Sie betreiben seit fünf Jahren in Bonn eine philosophische Praxis. Wie laufen die Geschäfte? Markus Melchers: In den ersten Jahren war es sehr schwer. Man muss sich auf eine Aufbauphase von drei bis fünf Jahren einstellen. Inzwischen kann ich davon leben. Allerdings ist es für die meisten Praktizierenden in Deutschland eher noch ein Nebenerwerb. Frage: Welche Leute kommen zu Ihnen und welchen Rat suchen sie? Markus Melchers: Eigentlich alle Schichten, das Alter ab 50 Jahren ist stärker vertreten und zu 75 % sind es Frauen. Sie sind einfach eher lösungsorientiert. Bei den Inhalten stehen die allgemeinen Lebensfragen wie Partnerschaft, Familie, aber auch Entscheidungsfragen aus der Berufswelt im Vordergrund. Grundsätzlich erlebe ich, dass Leute, die eine philosophische Praxis aufsuchen, schon einen Schritt weiter sind. Sie haben vielfach bereits Beratungserfahrungen gesammelt. Frage: Suchen dabei nicht manche einfach auch den gepflegten Talk mit einem gebildeten Menschen? Markus Melchers: Das ist sicher schon vorgekommen, aber eher die Ausnahme. Bei Männern erlebe ich es eher, dass sie sich eitel produzieren wollen, aber die Klienten sind keineswegs ausschließ-lich Intellektuelle. Frage: Worin liegt der Unterschied zu einem Supervisor? Markus Melchers: Der Supervisor muss strategisch vorgehen, Lösungsvorschläge zumindest im Hinterkopf haben, er muss es besser wissen, er arbeitet eher wie ein Psychologe ein wenig von oben herab ... der philosophische Praktiker nicht. Frage: Es gibt in der Bundesrepublik über 60 praktizierende Philosophen. Ist die philosophische Praxis grundsätzlich eine geeignete Geschäftsidee für Arbeit suchende Philosophen und was braucht man dafür jenseits der Fachqualifikation? Markus Melchers: Die meisten der mir bekannten Kolleginnen und Kollegen haben noch andere berufliche Schwerpunkte. Es gibt nur wenige, die ausschließlich davon leben können. Insofern muss man vorsichtig sein, wenn man sich als Philosoph niederlassen will. Die ersten Jahre sind sehr hart und die Kunden kommen eben nicht von allein. Man kann es sich ja ausrechnen, wie viele bezahlte Arbeitsstunden bei einem Stundensatz von z.B. 60 Euro pro Monat laufen müssen, um auf ein Einkommen von etwa 2000 Euro zu kommen. Meines Erachtens trägt die Idee "philosophische Praxis" allein nicht. Man braucht eine zusätzliche zündende Idee, die dann auch gerne von der Presse aufgenommen wird. Ich hatte z.B. die Idee "Sinn auf Rädern", mit der ich mobil praktiziere, Hausbesuche mache, überregional operiere, Vorträge halte etc. Weiterhin ist ein sehr umfassendes Wissen der philosophischen Literatur, der Musik, eigentlich aller klassischen Kulturwissenschaften vonnöten sowie ein ausgeprägtes politisches und zeithistorisches Interesse. Wenn sich Klienten z.B. auf Thomas Manns Zauberberg beziehen, um ihre Situation zu beschreiben, dann sollte der parat sein. Herr Melchers, ich danke Ihnen für das Gespräch! |