Leben und Denken reflektieren, interpretieren und diskutieren 19.03.2024
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Weisheiten großer Denker für den Alltagsgebrauch, General-Anzeiger Bonn vom 26.05.1999
Weisheiten großer Denker für den Alltagsgebrauch PHILOSOPHISCHES CAFE
Rund 30 Gäste kamen in die Pauke und diskutierten über "Die Liebe" Von Jörg Manhold  

WESTSTADT. Das war keine leichte Aufgabe: für ein großes Gefühl die passenden Worte zu finden. "Die Liebe" war Gegenstand des zehnten Philosophischen Cafés am Wochenende im Kultur-Bistro Pauke. Das ewig junge Thema hatte immerhin so viel Anziehungskraft, daß an diesem milden Frühlingsabend knapp 30 Gäste das Hinterzimmer dem Biergarten vorzogen. Sie sagten, meinten, fragten, definierten und stellten zur Diskussion.

Unter der Leitung von Markus Melchers wurde das Gespräch schnell lebendig. Kaum hatte der gelernte Philosoph drei Zitate genannt, die das Liebesgefühl aus theologischer, juristischer und psychologischer Sicht beleuchteten, meldete sich jemand zu Wort: "Ich glaube, wir müssen zunächst unterscheiden zwischen Liebe und Verliebtsein", wagte er eine erste Begriffsbestimmung. "Es ist wirklich schwierig, die Liebe zu definieren", meinte ein anderer und blickte hilfesuchend zum Gesprächsleiter. "Ich gebe zu: für Philosophen ist es ein beinahe unerträglicher Zustand, keine Antwort zu haben — unser Werkzeug ist schließlich die Begriffsfindung", sagte Melchers.

Und so kamen zwar Aspekte wie Mutterliebe, Nächstenliebe, Freundschaft, Vertrauen, Eros und Ethik zur Sprache, aber immer wieder kristallisierte sich, daß die "Liebe" mit Worten allein schlecht zu fassen ist. Herantasten war angesagt: Ist es möglich, ohne Liebe zu existieren? Ist Selbstvergessenheit nötig? Ist Liebe ohne Selbstliebe möglich? Und wie ist es mit den Machtspielen in der Liebe? Goethe wurde zu Rate gezogen, biologische Aspekte erwogen und viel aus der eigenen Erfahrung zitiert. Letzteres passiert häufig beim Philosophischen Café. "Das Publikum ist meistens bunt gemischt, manche haben philosophische Vorerfahrung, die meisten nicht. Da muß die eigene Erfahrung herhalten" sagt Melchers, der die Veranstaltungsreihe im Juli vergangenen Jahres startete.

Die Idee zum philosophischen Gsprächsforum für jedermann ist knapp zehn Jahre alt und stammt ursprünglich vom inzwischen verstorbenen, französischen Philosophen Marc Sautet, der wollte, daß die Antworten der Philosophie für jeden verfügbar werden. "Wichtig ist mir, daß wir in einem öffentlichen Raum sprechen und nicht nur akademische Themen aufgreifen", erläutert Melchers seine Umsetzung des Konzepts.

Der Bonner Philosoph sieht sich dem antiken Dialog verbunden und geht mit seinen Gästen die Fragestellung meist ohne den Umweg über Theorien an. Dennoch lenkt er das Gespräch immer wieder in philosophische Kategorien, gibt Anregungen und zitiert die großen Denker. Inzwischen hat sich das Philosophische Café etabliert. "Die Zahl der Gäste schwankt zwischen fünf und fünfzig. Es gibt Stammgäste, aber immer wieder neue Gesichter. Als ich vor einem Jahr anfing, hätte ich mir nicht träumen lassen, daß die Veranstaltungsreihe so lange überlebt", meint Melchers. Es sei offenbar ein großer Bedarf an Gedankenaustausch vorhanden. Dabei legt der Philosoph wert darauf, daß niemand die monatliche Gesprächsrunde mit therapeutischen Sitzungen oder Selbstfindungskursen verwechselt.

"Wir arbeiten hier an philosophischer Orientierung und stellen Fragen an unsere Lebenswelt", so Melchers. "Ein Gast sagte mir einmal nach dem Abend, daß ihm die Diskussion große Sicherheit vermittele - er könne seine Sicht der Welt jetzt einordnen." Andere hätten einfach nur Spaß am diskutieren.           
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