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Großes Schauspiel mit enttarnten Lügnern; Aachener Nachrichten vom 19.10.2009

«Philosophie trifft Theater»: Auftakt der Foyergespräche mit "ambulantem Philosophen" Markus Melchers

Von Elmar Farber 

Düren. «Philosophie trifft Theater»: Wer unter dieser Überschrift eine trockene, theorielastige Veranstaltung erwartet hatte, wurde am Sonntagmorgen im Haus der Stadt schwer enttäuscht.
Dem Bonner Philosophen Markus Melchers, der seit mehr als zehn Jahren mit seiner philosophischen Praxis «Sinn auf Rädern» quer durch die Republik reist und vielen Dürenern bereits aus den Philosophischen Cafés in der Evangelischen Gemeinde bekannt ist, gelang es unmittelbar nach seinem mit griffig-provokanten Thesen und Antithesen gespickten Impulsreferat, die 15 Besucher in eine spannende Diskussion zu verstricken.

Gesprächsbedarf im Publikum

«Melchers hat es bis jetzt immer geschafft, die Leute zum Reden zu bringen», wusste die künstlerische Leiterin des Theaters Düren, Monika Rothmayer-Szudy, schon vor dem Beginn des Foyergesprächs, das den Auftakt zur neuen Veranstaltungsreihe «Philosophie trifft Theater» bildete.

Die Idee, philosophische Gespräche in Anknüpfung an Theatervorstellungen anzubieten, entstand aus der Beobachtung, dass «bei vielen Leuten nach dem Theaterbesuch Gesprächsbedarf besteht», erklärt Rothmayer-Szudy.

Bei der Diskussion am Sonntagmorgen stand jedoch erst einmal das Theater als Ganzes zur Diskussion. Im wahren Leben versuche er den Umgang mit «durchschauten Lügnern» zu umgehen, sagt der «ambulante Philosoph» Melchers lächelnd. Er suche vielmehr nach Wahrhaftigkeit und Ernsthaftigkeit, nicht nach Schauspiel.

Geht man ins Theater, um sich über die Welt zu informieren? Was weiß das Theater, was die Nachrichten nicht wissen? Kann man von der Ansammlung angeleiteter Lügner auf einer Theaterbühne tatsächlich erhoffen, eine Weltklugheit zu erfahren? Melchers hat mindestens so viele Fragen an die Besucher des Theaterfoyers wie seine Krawatte Fragezeichen hat.

Immer wieder stachelt der philosophische Praktiker die Diskussion geschickt durch provozierende Standpunkte an. «Das Theater lenkt vom wirklichen Leben ab. Warum sollte ich mir im Jahr 2009 noch eine antike Tragödie anschauen?», fragt er.

Es seien die großen, die bewegenden Dinge des Lebens, die vom Theater thematisiert werden und die die Menschen seit Jahrtausenden begleiten und faszinieren, entgegnet eine Besucherin. «In dem Augenblick, in dem sie zum Zuschauer werden, geben sie ein Stück Individualität ab», kritisiert Melchers.

Selbst-Entindividualisierung

Das sei wie beim Fußballspiel: «20.000 Menschen wenden der Welt den Rücken zu.» Eine gewisse Selbst-Entindividualisierung auf Zeit, das Erleben eines gemeinschaftlichen Ereignisses sei aber geradezu ein menschliches Bedürfnis, kommt das Contra eines Besuchers.
Während des lebendig-freundlichen Streitgesprächs skizzierte Melchers auch die elementaren Unterschiede zwischen Philosophie und Theater.

Letzteres sei im Gegensatz zu seinem Fachgebiet nicht diskursiv, also nicht auf Argumente ausgerichtet. Das Theater lebe eher von Behauptungen als von Begründungen.

«Es wirft Fragen auf und erspart sich die Antworten», so Melchers. Das heiter-tiefgründige Gespräch beendete Melchers mit einem Zitat von George Bernard Shaw: «Auch Schlafen ist eine Form der Kritik, vor allem im Theater.»

      © Sinn auf Rädern/BelKom