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Freiheit, die ich meine ...; Blick Aktuell (Bad Breisig) vom 27.03.2013

"Philosophie in der Galerie". Tiefschürfende philosophische Diskussion in Bad Breisig

Bad Breisig. Zum zweiten philosophischen Gespräch hatte Galerist Paul Marek in Zusammenarbeit mit der quellenstädtischen Tourist-Info in seine Ausstellungsräume in der Biergasse eingeladen; ein Kreis von interessierten Bürgern war der Einladung gefolgt um sich mit dem Bonner Philosophen Markus Melchers wiederum den Kopf zu zerbrechen, was diese Welt im Innersten zusammen hält. Diesmal ging es um das Thema „Freiheit“.

Viele Überlegungen, Diskussionen rund um dieses durchaus ernste, vielschichtige Thema, und dennoch ein durchaus kurzweiliger, fröhlicher Abend, geprägt von der Persönlichkeit und der Rhetorik des "philoso- phischen Praktikers“ und Gesprächsleiters. Aufgehängt an Richtung weisende Zitate (zum Beispiel Hegel: „Im Denken bin ich frei, weil ich in mir bin und nur mir selbst verantwortlich“ oder Werner Finck: „Da wo es Unfreiheit gibt, fängt die Freiheit an !“), entspann sich eine lebhafte Suche nach dem Inhalt des vieldeutigen Begriffs „Freiheit“. Thesen und Antithesen unterschiedlichster Art schwirrten durch den Raum, z.B. „Grenzenlose Frei-heit gibt es nicht!“, „Freiheit ist das, was ich fühle!“, „Erziehung ist das Gegenteil von Frei-heit!“ usw. Wo beginnt die persönliche Freiheit, wo hört sie auf, wo ist sie in Zwänge alltäglicher Dinge eingebunden? Geduldig sammelte Markus Melcherss die Aussagen und versuchte, sie nach ihrem Sinngehalt zu sortieren.

Zwischenresultat: „Es gibt eine innere und eine äußere Freiheit. Und: Jeder versteht augenscheinlich unter Freiheit etwas anderes - sie wird also individuell empfunden. Man muss unterscheiden: Es gibt Wahlfreiheit, künstlerische Freiheit, Freiheit im Denken und Handeln - von was sprechen wir? Gibt es natürliche Vorgaben, denen sich der Mensch nicht entziehen kann ? Fragen über Fragen. Es gilt, die persönliche Freiheit zu überprüfen: „Was darf ich, was darf ich nicht?“ Die absolute Freiheit gibt es nur bei Gott - dem absoluten Geist. Der Philosoph Aristoteles betonte einst die soziale Seite der Freiheit. Sie müsse jeden Tag neu hinterfragt und gelebt werden.

Anders Sokrates: Er, der sich der Verurteilung durch Flucht hätte entziehen können, nahm sich die Freiheit des Suizids mittels Schirlings - Becher. Diskussionsleiter Melchers: „Er fühlte sich den Dingen verpflichtet. Sokrates war ein freier Geist, er hat den Entschluss, sich das Leben zu nehmen, frei gefasst.“  Übrigens: ist die Freiheit etwas Angeborenes oder muss man sie lernen? Ist stures Festhalten an einer Überzeugung schon Freiheit, oder ist es etwas anderes. Vielleicht was Immanuel Kant „Ästhetischer Egoismus“ nennt ? Wo ist nun die wahre Freiheit zu finden? Freiheit – ist es die Ungebundenheit, nicht fremden Mächten unterworfen zu sein? Geben Revolutionen die Antwort?

Die Ergebnisse täuschen zunächst Positives vor: Aufklärung, Abkehr von Überkommenem. Dann das Negative: Vorher war alles wohl geregelt, erträglich. Also: Denken… ändern, bald Erschöpfung: Die Schattenseiten der Freiheit. Wo ist die Autorität, an die wir uns wenden können? Man muss sich mit Andersdenkenden auseinandersetzen. Immanuel Kant: „Freiheit ist der Ausgang aus der selbst ver-schuldeten Unmündigkeit.“ Ein modernes Problem wird diskutiert: „Freiheitsberaubung durch digitale Medien!“ - Prrr! Jeder kämpft heute mit diesem Phänomen.

Beitrag einer teilnehmenden Dame: „Je intellektueller ich mich mit dem Freiheitsbegriff befasse, desto verwirrter werde ich. Mein Resümee: Frei bin ich nur in der Badewanne.“ Melchers, der philosophische Praktiker beginnt zu bilanzieren: „Man darf Freiheit nicht mit Willkür verwechseln. Nur Tyrannen handeln willkürlich. Der Mensch braucht Grenzen und Regeln seines Denkens und Tuns. Freiheit ist etwas, was der Mensch sich erarbeiten muss.“ Der versierte Gesprächsleiter plädiert dafür, nicht „Schuld“ und „Verant- wortung“ zu verwechseln. Schuld kann man nicht delegieren, Verantwortung sehr wohl. Freiheit ist nicht regellos.

Man muss sich den Gesetzen und Regeln freiwillig unterwerfen. Das ist notwendig, nicht nur moralisch geboten. Es gibt in unserem Zusammenleben Faktoren, die unsere persönliche Frei-heit beschränken.
Zum Beispiel die Religion, zu der ich mich evtl. bekenne. Dazu braucht es auch Mut - je nachdem. „In China gehört mehr Mut dazu, sich als Christ zu bekennen, als in Europa.“  Frei sein, heißt auch, sich an der jeweiligen Fähigkeit zu orientieren. Zum Beispiel an körperlichen Voraussetzungen. Seneca, der römische Philosoph fordert: Für die persönliche Freiheit nichts Unmögliches verlangen! Also: Freiheit ist das, was der einzelne vermag.

Am Ende der Diskussion bleibt das unbestimmte Gefühl: Wir Menschen sind doch verflixt unterschiedlich - im Denken wie im Können ! So frei, wie mancher gerne wäre, kann niemand sein.

Die nächste philosophische Diskussion mit Markus Melchers findet  an gleicher Stelle am 27. Juni statt. Thema: „Nach mir die Sündflut?“ Wetten: Alle sind weder dabei, so toll fesselt der „philosophische Praktiker“ sein Auditorium. 

-FA-

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