Einst war der Mensch auf dem Mond, jetzt schickt er nur noch Sonden in die Tiefe des Weltalls. Aber auch im Paralleluniversum tut sich wenig: Das Genre der Science Fiction liegt zurzeit brach
Von Heinz Dietl
Die gute Nachricht zuerst: Neil Young lebt. Der kanadische Musiker, einst Teil des Quartetts Crosby, Stills, Nash & Young, ist nicht am vergangenen Wochenende in Cincinnati gestorben, und er hat auch niemals den Mond betreten. Er wurde nur verwechselt – mit einem Astronauten gleichen Vornamens. Dem US-Sender NBC war dieser Fehler unterlaufen. Kann passieren, in diesen flüchtigen Zeiten. Immerhin ist Young der Komponist des Hitalbums „Harvest Moon“.
Die traurige Nachricht: Neil Armstrong ist verstorben, 43 Jahre nach seinem „kleinen“ Schritt auf den Mond. Es war in der Tat ein „gigantischer“ Schritt für die Menschheit, dem in dieser Dimension kein zweiter folgte. Gleichwohl hat die Mondlandung eine gewisse Dynamik erzeugt, weitere Missionen zum Erdtrabanten folgten. Und die Pioniertat hat Fantasien beflügelt. Wie würde es weitergehen? Auf welche Überraschungen müssen wir uns gefasst machen? Und die Frage aller Fragen: Gibt es Leben da draußen im Universum?
Neulich im Kino. Wissenschaftler reisen im Jahr 2089 mit dem Raumschiff „Prometheus“, so heißt auch der Film von Ridley Scott, zum Sonnensystem Zeta Reticuli. Man erhofft sich, nach entsprechenden Hinweisen auf Felsmalereien aus der Steinzeit, eine Begegnung mit dem Kreator, dem Schöpfer des Menschen. Der Rest ist schnell erzählt: Gott ist nicht tot, er ruht nur. Und als der Kreator erwacht, geht er auf seine eigenen Geschöpfe los. Warum? Die Drehbuchautoren Jon Spaihts und Damon Lindelof könnten es wissen.
Regisseur Scott versteht den Film, der bereits eine knappe Million Besucher allein in die deutschen Kinos gelockt hat, auch als Prequel, als Vorgeschichte zu seinem 1979 erschienenen Kassenhit „Alien“. Der Zuschauer erlebt die Genesis dieser schleimbedeckten Spezies. Auch sie agiert aggressiv – ohne erkennbares Motiv. Das erinnert an die außerirdischen Aggressoren in Roland Emmerichs Erfolgsfilm „Independence Day“ (1996) und nährt gleichsam die These, dass die Protagonisten des Science-Fiction-Genres seit 20 Jahren auf der Stelle treten. Außerirdisches Leben wird durchweg als Bedrohung inszeniert; die Autoren können sich nicht mit der Idee anfreunden, dass eine Begegnung mit fremden Wesen beispielsweise als philosophischer Austausch auf Augenhöhe stattfindet – mit dem Ergebnis des maximalen Erkenntnisgewinns auf beiden Seiten. Es fehlt die Fantasie.
„Das Genre liegt brach“, konstatiert der Kölner Filmkritiker Uwe Mies. Er vermisst in modernen Büchern und Filmen etwa „Außerirdische mit Humor“ oder eine Antwort auf die Frage, „ob Außerirdische an Gott glauben“. In früheren Dekaden sei origineller spekuliert worden. Ein inspirierendes Szenario sieht Mies in Stanislaw Lems Roman „Solaris“, der 1972 von Andrei Tarkowski und 2002 von Steven Soderbergh verfilmt wurde. „Dort erweist sich die gesamte Oberfläche eines Planeten als intelligentes Wesen, das mit einem Raumfahrer kommuniziert.“ Geistreich und erfinderisch waren vor allem die frühen Folgen der TV-Serie „Raumschiff Enterprise“, die zahlreiche Formen der interstellaren Kontaktaufnahme durchgespielt hat.
Der Bonner Bestsellerautor Akif Pirincci, bekannt durch seine Katzenkrimireihe „Felidae“, erinnert an Stanley Kubricks Klassiker „2001“ aus dem Jahr 1968. „Kubrick beschreibt nicht mehr die körperliche Begegnung, da draußen ist nur noch Geist. Den Cracks des SF-Genres ging es nie darum, dass Space-Cowboys die Aliens-Indianer plattmachen oder umgekehrt.“
Philip K. Dick ist einer dieser „Cracks“ der SciFi-Literatur, die ihre Blütezeit in den fünfziger Jahren erlebte. „Danach mutierte Science Fiction zum Schund; es ging nur noch darum, den Kalten Krieg eins zu eins zu spiegeln“, sagt Pirincci. Kritiker Mies ergänzt: „In diesen Parabeln treten statt der Sowjets genetisch veränderte Ameisen oder Marsmenschen auf, die uns bedrohen, dank der hehren Kraft des US-Militärs aber besiegt werden.“ Als Beispiel dafür dient der Film „Kampf der Welten“ (1953). Die Attacke der Marsianer besaß bereits in der 1898 erschienenen Originalvorlage politische Symbolkraft. Der britische Kultautor H.G. Wells hatte „The War Of The Worlds“ als Satire auf die Kolonialpolitik Großbritanniens angelegt. Der Filmregisseur Orson Wells baute später aus dem Stoff ein Hörspiel, das im Oktober 1938 über den Radiosender ging und angeblich eine Massenpanik ausgelöst hat.
Das Thema beschäftigt die Menschheit, seit es sie gibt. Der Bonner Philosoph Markus Melchers erinnert an den Text „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels“, den Immanuel Kant 1755 verfasst hat. Als Mann der Vernunft habe Kant ernsthaft erörtert, wie die Bewohner des Jupiter wohl lebten. Melchers fasst Kants Überlegungen zusammen: „Der Jupitertag ist relativ kurz. Die Bewohner haben weniger Zeit zum Schlafen und zum Arbeiten. Kant würde also nicht tauschen wollen – ganz der Protestant.“
Zumindest wohnt Kants früher Spekulation mehr Logik inne als Scotts „Prometheus“. Melchers sieht in solchen Filmen auch eine Grenze der Vorstellungskräfte erreicht: Beim Blick in die Zukunft orientiere sich der Mensch an Analogien, also an vertrauten Mustern, an Gut und Böse. „Zu erkennen, dass man nicht das einzige vernünftige Wesen ist, wäre eine weitere Kränkung des Menschen“, sagt Melchers und verweist auf die Krisen, die etwa Galilei und Keppler, Darwin und Freud in früheren Jahrhunderten ausgelöst haben. Letztlich kompetent in solchen Frage seien, so Melchers, jedoch die Naturwissenschaften.
Also Physik, Chemie, Biologie, Geologie, Astronomie. „Für Lebewesen im Universum gibt es keinerlei wissenschaftlichen Nachweis…“, sagt Dr. Ulrich Johann und vollendet sein Statement nach kurzer Pause: „…bis jetzt.“ Der Physiker ist bei der EADS-Tochter Astrium Satellite in Friedrichshafen am Bodensee für die Entwicklung von wissenschaftlichen Raumfahrtmissionen zuständig. Dazu zählt aktuell eine europäische Mission zum Jupiter und dessen Monden Ganymed, Kallisto und Europa. "Darüber hinaus will Astrium in Kürze 1,5 Mio. Kilometer von der Erde ein Teleskop im All verankern und damit das Universum nach Spuren dunkler Materie und dunkler Energie absuchen“, sagt Johann. „Kurz vor dem Start ist die Mission Gaya, die im Milchstraßensystem Sternenpositionen und Radialgeschwindigkeiten vermisst.“ Dabei werden auch immer mehr Himmelskörper entdeckt.
Eine weitere Wissenschaft, die mathematische Statistik, beflügelt letztlich auch die Fantasie der Sternensucher: „Wenn man allein die Zahl der Planeten hochrechnet, die erst in den letzten Jahren entdeckt worden sind, kommt man auf mehrere Milliarden erdähnlicher Planeten und somit auch von Bedingungen, unter denen sich Leben entwickeln kann“, sagt Ulrich Johann. Intelligente Lebewesen, die über einen vergleichbaren Entwicklungsstand verfügen, hält der Physiker „wissenschaftlich betrachtet für vorstellbar, ja sogar wahrscheinlich“. Eine Begegnung sei aufgrund der Entfernungen freilich ein Problem: „Die Lichtgeschwindigkeit setzt da leider eine extreme Grenze.“
Bleibt die Hoffnung auf den Warp-Antrieb, der Raumreisen mit Überlichtgeschwindigkeit ermöglicht, allerdings erst 2063 erfunden wird – in der Serie „Star Trek“ aus den sechziger Jahren.
„Hilfe, die Außerirdischen kommen!“ Unter diesem Titel hat der österreichische Fernsehsender Servus-TV unlängst zu einer Talkrunde eingeladen. Als Expertin saß die Wissenschaftlerin Dr. Gerda Horneck am Tisch – die „Grande Dame der deutschen Astrobiologie“. Die Wissenschaftlerin vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln nimmt solche Einladungen an, bleibt inhaltlich aber auf Distanz: „Wir wissen nichts von Außerirdischen, wir können sie nicht erreichen und sie uns auch nicht.“
Und doch geht die Mikrobiologin Horneck im Berufsalltag der Frage nach, „ob die Entstehung von Leben auf die Erde beschränkt ist, ob Mikroorganismen, die in Gesteinen eingeschlossen sind, von einem Planeten zum anderen transportiert werden können.“ Entsprechende Experimente führen die Kölner im Weltraum, etwa auf der Raumstation ISS, durch. Die aktuelle Mars-Mission MSL wird Horneck kaum neue Erkenntnisse bringen: „Curiosity“ hat keine Instrumente an Bord, die mikrobiotische Aktivitäten erkennen könnten.
Und so testet Horneck virtuell. „Wir simulieren, was passiert, nachdem Meteoriten in einem Planeten eingeschlagen sind“, denn die Planeten sind nicht so isoliert, wie wir früher gedacht haben. Es findet ein Materialaustausch statt, der auch mit einfachen Lebensformen verbunden sein kann.“
Bakteriensporen, eingeschlossen in totem Stein, unterwegs als Meteorit von Stern zu Stern. Das ist der Stand der Dinge. In Drehbüchern ginge das schneller: 2063 kommt Warp, 2189 trifft der Mensch auf einem fernen Planeten sein Ebenbild, 2314 kommen Zeitreisen in Mode, selbst Mutanten machen mit. Ein Hit ist der Trip in die Vergangenheit, zum Beispiel ins Jahr 2012.
„Wenn ich durch die Bonner Fußgängerzone gehe, habe ich manchmal den Eindruck, sie seien bereits gelandet“, sagt Autor Akif Pirincci.
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