Geschenkt! Eigentlich könnten wir uns ja fast alles selber kaufen. Trotzdem beschenken wir uns gegenseitig – und riskieren böse Szenen. Denn Geschenke können ganz schön danebengehen. Einige Tipps für Schenkende und Beschenkte. Am einfachsten ist es für kleine Kinder. Sie krakeln etwas aufs Blatt oder pappen einige Fetzen Stoff und eine Klopapierrolle zusammen und überreichen das Kunstwerk mit heissem Herzen und den stolzen Worten: «Das schenke ich dir.» Sie drehen sich ab, gehen ihrer Wege und haben ihre Freigebigkeit nach wenigen Minuten vergessen. Für die meisten Erwachsenen ist das Schenken komplizierter. Denn sie wissen: Präsente können weit mehr als Freude bereiten. Sie können beschämen und überfordern, beleidigen und verletzen. Manche Geschenke sind bei genauem Hinschauen nicht einmal gut gemeint. Und das kann vor den Kopf stossen. Geschenke sind Kommunikation – und die kann scheitern. Gaben übermitteln Botschaften von Nähe und Distanz, von Wissen und Ahnungslosigkeit. Sie verraten einiges über den, der beschenkt wird, aber noch viel mehr über den Schenkenden. Das muss kein Vorteil sein. Manche Menschen haben ein Talent zum Schenken, das anderen ein Leben lang versagt bleibt. «Du hast ein gutes Händchen», heisst es dann. Andere Menschen landen stets im Fettnäpfchen, wenn sie Gutgemeintes überreichen. Für sie ist es in einer Gesellschaft des Überflusses und der abertausend Möglichkeiten nicht leichter geworden. «Das Schenken stammt aus einer Zeit, in der man noch nicht alles kaufen konnte», sagt der Bonner Philosoph Markus Melchers, der als «ambulanter Sinnkurier» seine Kunden auch in praktischen Moral- und Wertfragen berät. Heute aber könne sich der Beschenkte «in der Regel alles selber kaufen». Das macht es keineswegs einfacher. Denn als Schenkender kann man sich nicht mehr annähernd sicher sein, dass die gute Gabe auch gebraucht wird. Abgesehen davon, dass wählerischer Kindermund heute die Wahrheit ganz unverblümt kundtut und Enttäuschung oder Entsetzen über ein Geschenk nicht immer mildtätig verborgen bleibt. Kinder mögen enttäuscht sein, wenn ein Wunsch versagt oder eine Sehnsucht unerkannt bleibt. Erwachsene kann so etwas auf immer beleidigen, und die Etikette erschwert es ihnen obendrein, ihre Gefühle auszudrücken. «Vergiftete» Geschenke Melchers spricht von «vergifteten Geschenken», wenn sie zu Almosen geraten und so auch verstanden werden. Etwa dann, wenn man einem bedürftigen Freund 50 Franken schenkt, oder gar den eigenen Eltern. Geldgeschenke erfreuen eher, wenn sie an einen hübschen Zweck gebunden sind – etwa die verstohlen erwähnte Wunschreise. «Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft», sagt der Volksmund. Die Redensart enthält zwei Botschaften. Einmal jene, dass es für die Zwischenmenschlichkeit wichtig ist, etwas zu schenken. Das stiftet Gemeinschaft, drückt Achtung und Nähe aus – auch wenn nicht verschwiegen werden soll, dass manch Schenkender beim Geben darauf hoffen mag, später selber etwas zu bekommen. Mildernder Umstand: Es geht meist weniger um Habgier als um Furcht davor, nicht respektiert zu werden. Oder um den Wunsch, selber Wertschätzung zu erfahren. Wie teuer darf es sein? Die zweite, vielleicht wichtigere Botschaft aber zielt auf die Grösse, besser: die Angemessenheit des Geschenks. Grosse Gaben können überfordern und beschämen. Nur Menschen mit guten Nehmerqualitäten – und das heisst: mit grossem Selbstbewusstsein – können mit üppigen Geschenken umgehen. Meist aber wird nur ein Hummelschwarm von Fragen aufgescheucht. Die wichtigste ist: «Wie soll ich das je wieder gutmachen?» Solche Menschen füh-len sich in der Schuld des Schenkenden und haben vielleicht weder die finanziellen noch die charakterlichen Möglichkeiten, adäquat zurückzugeben. Für Melchers liegt hier ein «Risiko des Schenkens», das im ungünstigen Fall dazu führen kann, dass der Beschenkte sich nicht mehr meldet. Ein Dilemma zwischen Moral und Usus gibt es auch anderswo. Viele erleben das fast wöchentlich in ihrer Firma, ihrem Amt. Jemand geht durch die Büros und sammelt Geld, weil eine Kollegin bald Geburtstag hat. Wie viel ist man bereit zu geben – noch dazu unter den nicht immer gleichgültigen Blicken des Sammlers? Wie endet der Spagat zwischen Konventi-on und Willen? Sind fünf Franken genug? Gibt es eine gnädige Obergrenze? Wird aber mindestens so viel erwartet? Und darf man sich verweigern? Klar, sagt Markus Melchers, «denn keiner darf mir meinen Willen vorschreiben». Doch dann müsse man auch zu den möglichen Konsequenzen stehen – unter Umständen zur Ächtung durch die Kollegen. Zudem könnte es sein, dass die ganze Sammelaktion scheitert, weil sich kaum jemand beteiligt. Geschenke verschenken? Eine ebenso schweisstreibende Frage ist, ob man Geschenke eigenmächtig umwandeln oder weiterschenken darf. Muss man den Theatergutschein einlösen, selbst wenn man die vorgeführte Tragödie öde findet? Darf man sich das Geld auszahlen lassen? Aus moralischer Sicht spreche nichts dagegen, meint Melchers. «Was man damit macht, ist nicht länger Sache des Schenkenden.» Ein Geschenk gehe nicht nur in den Besitz, sondern auch ins Eigentum des damit Bedachten über. Folglich könnte man eine Gabe weiterschenken, nicht nur, wenn sie missfällt und sowieso im Kellerregal landen würde. Leichter fällt ein Bruch mit den Gepflogenheiten, wenn das Geschenk masslos war oder Folgekosten nach sich zieht, die lästig oder untragbar sind – auch wenn es das Sprichwort «einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul» anders will. Was also, wenn das Pferd mehr Hafer frisst, als die Arbeit wert ist, beziehungsweise die Kaninchen Dreck und Arbeit und Folgekosten verursachen? Für Nina Pelkonen, Imageberaterin in Ulm, stammt die Redensart aus einer Zeit, als es beim Schenken um Existenzielles ging. Heute zeige Unpassendes «eher Ignoranz dem Beschenkten gegenüber». Auch Markus Melchers pocht auf die «Verpflichtung des Schenkenden», die Situation des Beschenkten zu bedenken, um ihn nicht zu beschämen und in eine Zwickmühle zu zwängen.
Vermutlich zum Glück zerbrechen sich längst nicht alle Menschen beim Schenken den Kopf darüber. Geht es um die Freude, die man bereitet? Haftet der zunächst lauteren Absicht etwas nicht Selbstloses an – nämlich der Wunsch, der Beschenkte möge einem gewogen bleiben?
Viele Menschen wollen lieben Menschen durch Geschenke offene oder verborgene Wünsche erfüllen. Manche Zeitgenossen jedoch haben einen Hintersinn – nämlich jenen, den Beschenkten zu erziehen. Ist es verwerflich, den offenen Wunsch eines 14-Jährigen nach einer bestimmten DVD zu ignorieren und statt dessen einen Naturführer zu schenken, damit der Junge nicht noch mehr zum Stubenhocker wird? Das findet Melchers nicht. Es sei in Ord-nung, in solchen Fällen einen Anstoss zu geben. «Der Erziehungsauftrag des Erwachsenen erlischt nicht beim Schenken», so der Moralexperte. Walter Schmidt |